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Abwärme richtig nutzen – Synergien für Quartiere

Etwa zwei Drittel des Endenergieverbrauchs der deutschen Industrie gehen für ⁠Prozesswärme⁠ drauf. Würde diese genutzt, könnten im Prozesstemperaturbereich ab 60°C rund 125.000.000.000 kWh eingespart werden, schätzen Experten. Um die Energiewende voranzutreiben, muss daher auch die Nutzung von Abwasser und Abwärme verstärkt in den Fokus rücken.


Die Energiewende muss her – und genauso wichtig und dringend die Wärmewende. Dazu ist der Umstieg auf regenerative Wärmequellen wie Wasser oder Erde notwendig, die – unter Zuhilfenahme einer Wärmepumpe – auf das benötigte Temperaturniveau gehoben werden.

Sinnvoll ist aber auch die Nutzung von Abwasser und Abwärme. Etwa zwei Drittel des Endenergieverbrauchs werden in der Industrie für ⁠Prozesswärme⁠ benötigt. Schätzungen zufolge liegt das Einsparpotenzial im Prozesstemperaturbereich ab 60 Grad Celsius bei rund 125 TWh[1] (zum Vergleich der Gesamtstromverbrauch in Deutschland 2019: 579,8 TWh.)

Das sind 125 Milliarden Kilowattstunden. Die Deutsche Energieagentur dena geht dabei immerhin noch von über 70 TWh industrieller Abwärme pro Jahr aus, die sich technisch auch erschließen ließen. Diese könnten, rein rechnerisch, rund 13 Prozent des deutschen Gasverbrauchs ersetzen.


[1]

(Quelle: bit.ly/3XwqlqS).

Der Anfall von Prozesswärme über 60°C hat also nicht nur gigantische Ausmaße, sondern auch großes Potenzial. Und: Abwärme kann auch weniger als 60 °C haben, um noch weiter von Nutzen zu sein.

Theoretisch könnten mit der in Deutschland nutzbaren Abwärme fast sechs Millionen Zwei-Personen-Haushalte klimaneutral beheizt werden. Und auch große Mengen CO2-Emissionen ließen sich durch Abwärmenutzung einsparen: Fast so viel, wie ein Drittel der in Deutschland zugelassenen Pkw pro Jahr an CO2 ausstößt.

 

Was ist Abwärme?

Als Abwärme bezeichnet man die Wärme, die von technischen Geräten oder Anlagen erzeugt, aber nicht genutzt wird. Sie entsteht als Nebenprodukt in den meisten technischen Anlagen: bei Motoren und Maschinen, in Rechenzentren, durch Klimaanlagen und Kühlgeräte in Supermärkten, in Kraftwerken und Biogasanlagen. In der industriellen Fertigung kann bei manchen Prozessen auch Hochtemperatur-Abwärme entstehen. In Form von warmer oder heißer Luft bzw. Flüssigkeit verpufft diese Wärme oft ungenutzt. Laut dem durch das BMWK geförderten Wärmeatlas nutzt etwa die Hälfte der befragten Unternehmen ihre Abwärme gar nicht. Dabei stellt Abwärme eine wertvolle Energiequelle dar.

Wie lässt sich Abwärme nutzen?

Abwärme kann zur Raumheizung und Brauchwassererhitzung dienen. Um die Abwärme direkt nutzen zu können, muss die Temperatur der Quelle höher liegen als die des Abnehmers. Je höher die Temperatur der Abwärme ist, desto höher der Wirkungsgrad der Wärmeübergabe. 
Doch auch, wenn Abwärmeströme nicht warm genug sind, um sie direkt in einem neuen Prozess wiederzuverwenden, sind sie verwertbar: Wie bei anderen Anergiequellen gilt es dann, eine Wärmepumpe zur Erhöhung des Temperaturniveaus zwischenzuschalten. 

Abhängig davon, welche Temperatur die Abwärme hat, lässt sie sich für unterschiedliche Zwecke nutzen.

  • Wärmerückgewinnung: Die Abwärme wird dem Produktionsprozess, in dem sie erzeugt wurde, wieder zugeführt.
  • Raumwärme und Warmwasser: Büros oder Fertigungshallen lassen sich mit Abwärme beheizen, Wasser kann damit temperiert werden. Gerade in Produktionshallen, in denen Produkte unter Einsatz von Strom bei hohen Temperaturen verarbeitet werden, lässt sich so der Einsatz von weiteren Heizungen meist komplett vermeiden.
  • Einspeisung in ein Wärmenetz: Große Abwärmemengen können auch in Wärmenetze eingespeist werden. Gerade bei der Versorgung von Quartieren oder Kommunen ist es wichtig, Energieversorgung künftig ganzheitlich zu denken und Abwärmequellen konsequent miteinzubeziehen. So kann beispielsweise die Abwärme aus Rechenzentren oder Kühl- und Klimaanlagen von Supermärkten in das (kalte) Wärmenetz eingespeist werden.
  • Kälte:  Sorptionskältemaschinen nutzen die Wärmeenergie, um ein Kältemittel zu verdampfen und somit mit Wärme zu kühlen. Dafür sind allerdings vergleichsweise hohe Abwärmetemperaturen von mindestens 100 bis 120°C nötig, um ausreichend Wasserdampf zu generieren.
  • Strom: Abwärme ab 85° C lässt sich mithilfe der ORC (Organic Ranking Cycle)-Technologie auch in Strom umwandeln und auf diese Weise vielfältig nutzen, zum Beispiel zur Deckung des eigenen Strombedarfs in der Produktion., um aus Abwärme Strom zu erzeugen. Die Abwärme verdampft ein organisches Kältemittel bei geringer Temperatur. Mit dem Dampf wird unter Druck sauberer Strom erzeugt.
  • Regeneration von Geothermie-Sondenfeldern: Ebenfalls kann die Wärme die Bodentemperatur erhöhen, wenn durch den Wärmeentzug bei oberflächennaher Geothermie eine Regeneration der Erde notwendig ist.
  • Auftauen von Energiespeichern wie Eisspeichern: Eine gute Möglichkeit der Nutzung von Abwärme besteht auch in deren Speicherung. Denn wenn die Wärme nicht direkt genutzt wird, muss sie in einem Pufferspeicher zwischengespeichert werden. Die Wärme kann aber ebenfalls einen Eisspeicher regenerieren und wieder auftauen, damit dieser wieder Energie speichern kann.
  • Sondernutzung: Eine Möglichkeit zur Nutzung von Abwärme besteht auch im Urban Farming, beispielsweise zur Beheizung von Gewächshäusern. Etwas besonders hat sich die Firma Seawater Cubes in Zusammenarbeit mit uns bei goodmen energy überlegt: Die kompakte und schlüsselfertige Fischzuchtanlage in Schiffscontainern ermöglicht Urban Farming von Warmwasserfischen. Das Wasser wird dabei durch Abwärme auf die benötigte Temperatur gebracht – Speicher stellen sicher, dass diese konstant gehalten werden kann.

Unternehmen, die ihre Abwärme nutzen, reduzieren also ihren Energieverbrauch, ihre Schadstoffemissionen und in hohem Maße auch ihre Energiekosten.  


 

Rentabilität und Wirtschaftlichkeit

Wenn es gelingt, Abwärme möglichst heiß zum Abnehmer zu bringen, der wiederum (beispielsweise durch Fußbodenheizung) eine eher geringe Temperatur benötigt, so ist die Nutzung heute schon wirtschaftlich rentabel möglich.

  • Die derzeit hohen Stromkosten scheinen die Verwendung von niedrig-temperierter Abwärme und den Einsatz von Wärmepumpen kurzfristig weniger rentabel zu machen. Die Gesamtentwicklung im Energiesektor zeigt allerdings, dass die Preise nicht stabil sind und jetzt sofort alle verfügbaren kostenfreien Ressourcen genutzt werden sollten, um die Energie- und Wärmewende im geplanten Zeitrahmen zu bewältigen.
  • Ein technischer Ansatz für die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren, der auch bei höheren Strompreisen und niedrigen Wärmekosten wirtschaftlich sein kann, ist die Flüssigkühlung von Servern. Statt warmer Luft geben Rechenzentren 60° C warmes Wasser ab. Dieses kann direkt und ohne Wärmepumpe für viele Zwecke genutzt werden.
  • Ein wichtiger Faktor für die rentable Verwendung von Abwärme besteht in der Länge und Dämmung der Leitungen. Optimalerweise liegen Quelle und Abnehmer nicht zu weit auseinander, damit nicht mit größeren Wärmeverlusten zu rechnen ist und die Effizienz stimmt.
  • Da Prozesswärme auch immer Schwankungen unterliegt oder evtl. nachts ganz ausbleibt, ist die Vorschaltung einer Energiezentrale mit einem Pufferspeicher notwendig, um die Abwärme technisch nutzen zu können. Wärmespeicher ermöglichen einen zeitlich entkoppelten Einsatz.

Die Bundesregierung ermöglicht mit ihrer technologieoffenen Förderung auch zinsgünstige Darlehen oder Zuschüsse von bis zu 40 Prozent der nötigen Investitionen für die Nutzung von Abwärme, so dass sich Investitionen schneller amortisieren.

Referentenentwurf zum Energieeffizienzgesetz

Dieser Entwurf, der im Oktober 2022 bekannt wurde, derzeit aber noch nicht zu einer Gesetzesvorlage geführt hat, sieht vor, dass Unternehmen verpflichtet werden, Abwärme aus Produktionsprozessen zu vermeiden oder diese, falls eine Vermeidung nicht möglich ist, wiederzuverwenden. Spätestens ab 2028 soll dies auch unabhängig vom Wirtschaftlichkeitsaspekt geschehen. Ebenfalls sieht der Entwurf spezielle Anforderungen für Rechenzentren vor.[2]

 


[2]

Für Details siehe Artikel: bit.ly/3XTYVvb

Vermeidung vor Nutzung

Die beste Abwärme ist die, die gar nicht erst anfällt. Oberste Bemühung sollte daher sein, Abwärme durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden, beispielsweise durch effektive Dämmung heißer Rohre. So erhöht sich auch die Energieeffizienz des Prozesses. Nur dort, wo sich Abwärme nicht vermeiden lässt, sollte sie als erneuerbare Wärmequelle genutzt werden.