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Exergie und Anergie: Warum wir unser Energieverständnis ändern müssen

Das Wort „Energie“ ist derzeit in aller Munde: Energiekrise, Energieerzeugung, Energieverbrauch und Energieeinsparung sind Schlagworte der Stunde. Physikalisch gesehen wird der Begriff Energie dabei aber oft nicht sauber verwendet: Denn Energie kann gar nicht verbraucht, erzeugt oder eingespart werden, wie der 1. Hauptsatz der Thermodynamik zur Energieerhaltung besagt: Energie bleibt immer erhalten. Sie besteht aber aus nutzbaren Anteilen, der Exergie und nicht direkt nutzbaren, der sogenannten Anergie.


Energie bleibt immer erhalten


 

Allerdings kann eine Energieart in eine andere umgewandelt werden: Zum Beispiel elektrische Energie in Wärme. Das kann dazu führen, dass sie an nutzbarem Wert verliert und damit für bestimmte Vorgänge nicht mehr wirtschaftlich oder überhaupt nicht mehr verwendet werden kann.

Energie = Exergie + Anergie

In der technischen Thermodynamik bezeichnet Exergie den Teil der Energie, der Arbeit verrichten kann. Dies ist möglich durch einen thermodynamischen Ausgleich zwischen Energiequelle und Umgebung. Diese Arbeit kann dabei mechanisch (Auto), chemisch (Wasserstoff-Erzeugung), thermisch (Heizen) oder elektrisch (Strom) umgesetzt werden. Den dabei zunächst nicht nutzbaren Anteil der Energie, z. B. die Abwärme, bezeichnen wir als Anergie.

Ein einfaches Beispiel:

Lässt man kochendes Wasser in einem Raum mit Zimmertemperatur stehen, kühlt es sich nach und nach ab, bis es Zimmertemperatur erreicht. In diesem Verlauf gibt das heiße Wasser seine Wärme an die Umgebung ab, die sich dabei – wenn auch kaum messbar – erhöht. Damit ist die Exergie, die im höheren Temperaturniveau gegenüber der Raumtemperatur bestand, verpufft, und zwar unwiederbringlich, irreversibel. Aus Exergie wurde Anergie. Anergie ist Energie, die (ohne erneute Energiezufuhr) nicht mehr nutzbar ist. Nur, wenn man Hilfsmittel (z. B. Strom) hinzuzieht, kann wieder Exergie entstehen

Im Gegensatz zur Energie kann folglich Exergie sehr wohl verringert, ja sogar komplett vernichtet werden.


Energie ist eine physikalische Erhaltungsgröße, Exergie nicht.


Exergie bleibt also nicht erhalten, sondern verwandelt sich nach und nach in Anergie. Das ist der zweite Hauptsatz der Wärmelehre.

Soweit der physikalische Exkurs.

Im Zeitalter des Verbrennungsmotors war Anergie gleichbedeutend mit Abfall. Doch hier findet gerade ein grundlegender Wandel statt: Im Zeitalter der leistungsfähigen Wärmepumpen wird Anergie zur wertvollen Wärmequelle.

Unser erstes Ziel muss es daher sein, weniger der kostbaren Exergie zu verschwenden. Unser zweites Ziel besteht darin, Anergie zu nutzen.

Exergie-Verbrauch senken – Anergie nutzen

Werden Heizöl oder Gas in einem Heizkessel verfeuert, oder Wärme direkt aus Strom mittels elektrischer Heizungen gewonnen, wird dabei sehr viel Exergie verschwendet. Denn die hohe Arbeitsfähigkeit elektrischer oder chemischer Energie wird bei der Herstellung von Niedertemperaturwärme (Wärme im Temperaturbereich bis etwa 130oC) nur zu einem geringen Teil genutzt.


Ein Gaskessel verwendet eine Flamme mit 1.900 °C, um 70° C warmes Wasser zu erzeugen.


Effizient ist ein Gesamtsystem hingegen, wenn die Exergieverluste so klein wie möglich und der exergetische Wirkungsgrad damit möglichst hoch ist. Doch wie kann dies erzielt werden?

Wärmepumpe schont fossile Brennstoff-Vorräte

Viel sinnvoller ist es, mit elektrischer Energie – am besten aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft oder Solarenergie – eine Wärmepumpe zu betreiben. Ob dies rentabel ist, zeigen Wirkungsgrad und Arbeitszahl:

Der thermische Wirkungsgrad („Carnot Wirkungsgrad“ nach dem französischer Physiker Sadi Carnot) ist der Anteil mechanischer Energie, der bei idealen Bedingungen aus einer bestimmten Wärmemenge erzeugbar ist.

Der Wirkungsgrad einer Wärmepumpe gibt an, wie viel Strom diese einsetzen muss, um eine bestimmte Menge Wärmeenergie bereitzustellen. Die Kennzahl zeigt also, wie effizient eine Wärmepumpe arbeitet.


Wirkungsgrad = Heizwärme (Nutzleistung) : Strom (zugeführte Leistung)


Die Jahresarbeitszahl (JAZ) gibt an, welchen Wirkungsgrad die Wärmepumpe in einem individuellen Heizungssystem im Jahresdurchschnitt erreicht. Moderne Wärmepumpen können bei der Erzeugung von Niedertemperaturwärme eine mittlere Jahresarbeitszahl von 4 und höher erreichen. Dies bedeutet, dass vier Kilowattstunden Niedertemperaturwärme aus einer Kilowattstunde elektrischer Energie (Exergie) und drei Kilowattstunden kostenloser Anergie gewonnen werden. Man erhält also eine wesentlich höhere Effizienz (und geringeren Exergieverbrauch) als bei der Verbrennung im Heizkessel. Das schont die fossilen Vorräte.


1 kWh (fossiler) Brennstoff (direkt verbrannt) ergibt 1 kWh Wärme

1 kWh (fossiler) Brennstoff – im Kraftwerk in Strom umgewandelt – ergibt 0,4 kWh Strom. Bei der Jahresarbeitszahl (COP) von 5 ergibt das 2 kWh Wärme über eine Wärmepumpe


 

Anergie aus Luft, Wasser und Erde

Wie zuvor im Beispiel mit dem kochenden Wasser ist auch in Seen und Meeren Energie vorhanden, wenn auch auf einem ungleich niedrigeren Temperaturniveau. Denn in der kühleren Jahreszeit ist das Wasser wärmer als die Außenluft. Daher sind Gewässer eine ideale Anergie-Quelle.  

Mithilfe der Wärmepumpe und eines kleinen Anteils Strom kann diese Anergie, die auch im Boden und in der Luft vorhanden ist, in nutzbare Wärme verwandelt werden. Dabei ist auf einen möglichst geringe Temperaturdifferenz zwischen Anergiequelle und Nutztemperatur zu achten, so dass Aquathermie und Geothermie mit ihren eher gleichbleibenden Temperaturen gegenüber der Anergie aus der Luft meist effizienter sind.

Zudem ist die Kombination mit einer Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung ideal, aber nicht zwingend Voraussetzung.

Denn bei Gebäudesanierungen und Neubauten empfehlen wir von goodmen energy immer die Nutzung CO2-neutraler Primärquellen. Wie wir bei der ganzheitlichen Projektentwicklung vorgehen, können Sie hier nachlesen: https://bit.ly/3R5JxYS

Anergie kann in Form von Aquathermie, Geothermie oder aus der Luft erschlossen werden, um die Beheizung und Kühlung von Gebäuden zu ermöglichen. Anergie steht kostenlos und an einem Standort dauerhaft oder über lange Zeit zur Verfügung. Um aus Anergie nutzbare Energie zu machen, ist eine Wärmepumpe erforderlich. Der Strom dafür kann durch eine PV-Anlage auf dem Dach gedeckt werden und ist so ebenfalls erneuerbar und kostenfrei, wenn man die Anlagebeschaffung außer Acht lässt.

Kaltes Nahwärmenetz – Anergieversorgung für Quartiere und Stadtviertel

Statt jedes Haus einzeln mit Anergie zu versorgen, ist auch die Versorgung ganzer Quartiere über ein Kaltes Nahwärmenetz möglich und sinnvoll (siehe hierzu unseren Blogbeitrag über kalte Nahwärmenetze: https://bit.ly/3uA2TMb). Hierbei wird Anergie in Form von kaltem Wasser durch Leitungen transportiert, um dieses für die Erzeugung von Wärme auf einem höheren Temperaturniveau mit einer zentralen oder mehreren dezentralen Wärmepumpen nutzen zu können. Diese Anergie lässt sich auch speichern, beispielsweise in Eisspeichern (siehe Blog Eisspeicher: https://bit.ly/3qW4VpB ).

Übrigens: Weniger Exergie wird ebenfalls benötigt, wenn der Heizwärmebedarf (passiv) gesenkt wird, beispielsweise durch Dämmung der Gebäudehülle und Fenster. Siehe hierzu unseren Blogbeitrag unter: https://bit.ly/30Oqa27

Wir von goodmen energy realisieren unter dem Stichwort „Experten kooperieren“ gemeinsam mit unseren Partnern GRATEC GmbH, Gerodur GmbH, GF Piping Systems GmbH und Franz Lohr GmbH ganzheitliche kalte Nahwärmenetze (Anergienetze). Basierend auf den regenerativen Quellen (oberflächennahe) Geothermie, Solarthermie, Aquathermie oder industrielle Abwärme schaffen wir zukunftsfähige Systeme, die sich rechnen – von der (Bafa-förderfähigen) Machbarkeitsstudie bis zur Realisierung. Gerne erläutern wir Ihnen als Kommune, Gemeinde oder Stadtwerk die Vorteile solcher Anergienetze.

Zudem planen und installieren wir mit unseren Partnern GRATEC GmbH und ElringKlingerKunststofftechnik GmbH Aquathermie-Anlagen zur Nutzung von Anergie aus Gewässern.

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