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Wasserstoff im Erdgasnetz

Das Element Wasserstoff hat sich in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil in der Diskussion um die deutsche Energiewende entwickelt. Aus erneuerbarem Strom, der mithilfe von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen produziert wird, kann durch eine Elektrolyse der kostbare grüne Wasserstoff gewonnen werden. Hierbei wird Wasser mittels elektrischen Stroms in seine elementaren Bausteine Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) aufgespalten.

So ist es möglich, den Strom insbesondere in Zeiten, in denen ein deutlicher Überschuss vorherrscht, effektiv zu nutzen. Kraftwerke können weiter Strom produzieren, statt abschalten zu müssen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dies mit einem Umwandlungsverlust in Höhe von ca. 30 % verbunden ist. Folglich ist in erster Linie zu prüfen, ob der Überschussstrom anderweitig nutzbar ist.

Wasserstoff – Der Allrounder

Im Anschluss an die Produktion des Wasserstoffs gibt es eine Vielzahl an Varianten, diesen weiter zu nutzen.

So besteht beispielsweise die Möglichkeit, den Überschussstrom, der in Form von Wasserstoff zwischengespeichert wurde, über die Umkehrtechnologie der Elektrolyse – die Brennstoffzelle – wieder in Strom umzuwandeln, also rückzuverstromen. Das Stromnetz würde somit neben den bisherigen Speicherkraftwerken einen Zuwachs an Speicherfähigkeit erfahren. Allerdings ist auch die Rückverstromung (Brennstoffzelle) verlustbehaftet, wodurch der Kettenwirkungsgrad bei ca. 49 % liegt. Die übrigen 51 % fallen in Form von Wärme ab, die jedoch weitergehend genutzt werden könnten. (Siehe auch Blogbeitrag: „Nutzen und Machbarkeit der Speicherung erneuerbarer Energien mittels Wasserstoffes“)

Eine Alternative zur Rückverstromung ist die direkte Einspeisung von Wasserstoff in das Erdgasnetz.

Wasserstoffverträglichkeit im Gasnetz

Dadurch, dass Wasserstoff und Erdgas unterschiedliche chemische Eigenschaften aufweisen, ist eine Einspeisung allerdings an einige Bedingungen geknüpft.  Im Hinblick auf das Erdgasnetz sind insbesondere die verbauten Komponenten, die hydraulische Netzkapazität sowie die Abrechnungsmethode zu prüfen.

Wasserstoffverträglichkeit der Komponenten

In der Kategorie Komponenten sind die Funktionsweise sowie die Materialverträglichkeit der verbauten Anlagenkomponenten für die Konzentration der Wasserstoffbeimischung maßgebend. Beispielsweise verändern sich die brenntechnischen Eigenschaften des Brenngases mit zunehmender Wasserstoffkonzentration. Komponenten der Gasanwendung (z. B. Gebläsebrenner, Gasturbinen), die in der Regel eine hohe Sensibilität gegenüber den brenntechnischen Eigenschaften aufweisen, sind demzufolge zu prüfen. Besonders im Bereich der Privatanwendung nimmt das Angebot an wasserstofffähigen Verbrauchsgeräten inzwischen deutlich zu.

Komponenten zur Gasmengenmessung werden aktuell im Rahmen von Forschungsprojekten auf ihre Wasserstoffsensibilität intensiv untersucht. Auf die Messung wird noch unten eingegangen.

Wasserstoff verändert die Fließgeschwindigkeit im Gasnetz

Angesichts der hydraulischen Netzkapazitäten ist sicherzustellen, dass trotz einer Beimischung von Wasserstoff keine Unterversorgung der angeschlossenen Endverbraucher auftritt. Um mit einer zunehmenden Wasserstoffkonzentration weiterhin die gleiche Energiemenge bereitstellen zu können, ist eine Erhöhung der im Netz vorherrschenden Volumenströme bzw. Fließgeschwindigkeiten notwendig, welche wiederum einen Einfluss auf die Druckverluste im Netz haben. Dadurch, dass Wasserstoff eine niedrigere Dichte gegenüber Erdgas aufweist, wird der durch den Geschwindigkeitsanstieg bedingte Druckanstieg wieder etwas relativiert. Unter Berücksichtigung dieser Einflussfaktoren ist eine maximale Erhöhung der Druckverluste um ca. 20 % zu erwarten. Dementsprechend ist sicherzustellen, dass das Verteilnetz über entsprechende überschüssige hydraulische Netzkapazitäten verfügt.

Veränderte Verbrauchsmessung

Die Abrechnungsmethode ist im Falle einer Wasserstoffbeimischung in das Erdgasnetz ebenfalls zu prüfen und ggfs. zu überarbeiten. Sowohl die Volumenmessung als auch die Brennwertermittlung spielen eine Rolle. Die Qualität der Volumenmessung erfolgt in Abhängigkeit der eingesetzten Komponenten und der jeweiligen Messtoleranz.

Die Brennwertermittlung gestaltet sich dagegen deutlich schwieriger, da diese eine Abhängigkeit von der vorhanden Netztopologie und den gewählten Brennwertbezirken aufweist. Der Gasverteilnetzbetreiber hat stets sicherzustellen, dass der Kunde mit dem tatsächlich bezogenen Brennwert abgerechnet wird. Der monatliche Einspeisebrennwert (Hs,m ) darf hierbei nicht mehr als 2 % vom monatlichen Abrechnungsbrennwert (Hs,m,eff ) abweichen.

Im Falle einer Wasserstoffbeimischung kann schnell die Situation eintreten, wo dies mit dem bestehenden System nicht mehr gewährleistet werden kann. Der Kunde würde in dem Falle evtl. zu viel oder zu wenig für die bezogene Energie zahlen. Dementsprechend ist mit geeigneten Maßnahmen sicherzustellen, dass Kunden eines Brennwertbezirkes ordnungsgemäß abgerechnet werden. Zwei exemplarische Maßnahmen, die dabei zu nennen wären, sind die Einführung der Gasbeschaffenheitsverfolgung sowie die Überarbeitung des Netzes in Kombination mit einer neuen Aufteilung von Brennwertbezirken.

Wasserstoff im Erdgasnetz als Brückenbauer für eine neue Infrastruktur

Die Einspeisung von Wasserstoff in das Gasnetz ist in der Regel mit einem großen Aufwand verbunden. Die Komponenten, die Netzkapazität sowie die Abrechnungsmethode müssen entsprechend angepasst werden. Allerdings bietet die vorhandene Infrastruktur die Möglichkeit, bereits heute Wasserstoff in geringen Mengen (10 Vol.-% H2) beizumischen [1]. Aktuell wird in einer Gemeinde in Baden-Württemberg die Einspeisung von 30 Vol.-% Wasserstoff untersucht [2]. Auf jeden Fall kann das Erdgasnetz bereits jetzt als Brücke für den weiteren Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur dienen.

Verbrennung von Wasserstoff - nur eine Übergangstechnologie

An dieser Stelle wollen wir aber unbedingt darauf hinweisen, dass bei der Verbrennung von grünem Wasserstoff wertvolle Exergie verschwendet wird. Bei der Umwandlung von 100 kWh erneuerbarem Strom in Wasserstoff gehen 30 % Energie verloren. Darüber hinaus wird der grüne Wasserstoff im Erdgasnetz verbrannt. Die Verbrennung von 100kWh erneuerbaren Wasserstoff führt aber nur zu ca. 70kWh Wärme anstelle von 400kWh Wärme, wenn der Strom zum Betrieb einer Wärmepumpe genutzt würde.

 

Quellen:

[1] Wissenschaftlicher Dienst – Deutscher Bundestag; „Grenzwerte für Wasserstoff (H2) in der Erdgasinfrastruktur“; https://www.bundestag.de/resource/blob/646488/a89bbd41acf3b90f8a5fbfbcb8616df4/WD-8-066-19-pdf-data.pdf; 2019

[2] SWR; „Heizen mal anders: Wasserstoff im Öhringer Erdgas“; www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/testversuch-mit-wasserstoff-im-erdgas-in-oehringen-100.html