Kalte Nahwärme aus dem Grundwasserbrunnen – Möglichkeiten und Herausforderungen
Grundlagen der kalten Nahwärmenetze:
Kalte Nahwärmenetze arbeiten mit Temperaturen zwischen 0 und 30°C und benötigen keine Rohrdämmung. Das umliegende Erdreich kann als zusätzliche Wärmequelle dienen, was die Dimensionierung der Primärquelle reduziert. Diese Netze nutzen ein Zweileiternetz mit Vor- und Rücklaufleitung und können sowohl Wärme als auch Kälte mit nur einem thermischen Netz bereitstellen. Ein Vorteil ist der Ausgleich von Wärme- und Kältebedarfen zwischen verschiedenen Gebäuden.
Das Thema Kalte Nahwärme haben wir schon einmal in diesem Blog beschrieben – und hier vergleichen wir die Vor- und Nachteile der verschiedenen Netzarten

Foto von Robin Canfield auf Unsplash
Definition und Nutzung von Grundwasser:
Grundwasser, ein Teil des natürlichen Wasserkreislaufs, entsteht durch das Versickern von Regen, Schnee oder Hagel und sammelt sich in Hohlräumen des Erdbodens. Neben der Trinkwassernutzung findet Grundwasser Anwendung in der Agrarwirtschaft zur Bewässerung und in Anlagen zur Wärme- und Kältegewinnung.
Dabei wird dem Grundwasser über die Brunnenanlagen Wärmeenergie entzogen und in das Nahwärmenetz eingespeist. Obwohl Wasser die Quelle ist, handelt es sich hierbei ‒ laut geläufiger Definition ‒ nicht um Aqua- sondern um Geothermie, da das Wasser aus der Erde kommt.

Saug- und Schluckbrunnen:
Eine sogenannte Wasser-Wasser Anlage besteht in der Regel aus einem oder mehreren Saug- und Schluckbrunnen, welche Grundwasser in benötigter Menge zur Verfügung stellen. In einem Saugbrunnen wird das Wasser aus der Tiefe geholt und über Leitungen in eine Energiezentrale gebracht, wo es seine Temperatur an einen Wärmetauscher abgibt. Das Grundwasser selbst kommt dabei nicht mit dem Heizkreislauf in Berührung und bleibt chemisch unverändert. Thermisch gesehen ändert das Grundwasser durch diesen Vorgang aber seine Temperatur – je nachdem, ob es Wärme abgibt, nach unten oder Wärme aufnimmt, nach oben.
Im Anschluss fließt das Brunnenwasser über einen Schluckbrunnen wieder zurück Grundwasser. Dabei gilt es zu beachten, dass auch das Grundwasser eine Fließrichtung hat und der Entnahmebrunnen daher vor dem Schluckbrunnen liegen muss. So wird ausgeschlossen, dass bereits erwärmtes Wasser noch einmal angesaugt wird, wodurch es zu einer doppelten Erwärmung des Grundwassers und geringeren Effizienz für das Nahwärmenetz käme.
Die Verwendung von Grundwasser aus Brunnen eignet sich nicht nur für Ein-Familienhäuser, sondern ebenso für Quartiere – dann werden entsprechend mehrere Saug- und Schluckbrunnen benötigt.

Voraussetzungen für den Brunnenbau:
Ein guter Grundwasserleiter im Bohrgebiet ist entscheidend. Das ist eine Gesteinsschicht, in der sich das Grundwasser sammelt – sie wird nach unten hin durch wasserundurchlässige Schichten begrenzt. Der Grundwasserleiter muss eine ausreichende Mächtigkeit und Durchlässigkeit aufweisen. Das Grundwasser sollte möglichst oberflächennah (nicht tiefer als 20 Meter unter Geländeoberkante) gewonnen werden, um die Effizienz der Pumpe – auch in Hinblick auf ihren Strombedarf – zu gewährleisten. Ein Pumpversuch klärt die Grundwasser-Ergiebigkeit des Standorts und die erforderlichen Dimensionen des Brunnenschachts.
Definition Abteufen: Das Wort Abteufen wird aus der bergmännischen Bezeichnung Teufe für „Tiefe“ hergeleitet. Im Brunnenbau wird mit diesem Begriff der eigentliche Bohrvorgang beschrieben. Abteufen bedeutet hier das Bohren des Brunnens mittels Bohrgerät.
Wichtige Planungsdaten für die Quelle Grundwasser:
Für die Planung sind die Tiefe des Grundwassers, die Dicke der Wasserschicht, die Temperatur der Quelle und die erlaubte Temperaturspreizung essenziell. Diese Daten ermöglichen die Berechnung der technisch entziehbaren Wärmemenge und die Anzahl und Dimensionierung der benötigten Brunnen. Zudem müssen wir als Planer wissen, wie viele Kubikmeter Wasser pro Stunde und pro Jahr gefördert werden dürfen.
Rechtliche Rahmenbedingungen für Brunnenbohrungen und Grundwassernutzung
Die Nutzung von Grundwasser für geothermische Zwecke ist in vielen Bundesländern genehmigungspflichtig und jeweils bei der örtlichen Wasserbehörde (i. d. R. Landratsamt) anzufragen. Dabei treffen sowohl wasser- als auch bergrechtliche Vorschriften zu. (Der Bundesverband Wärmepumpe empfiehlt allerdings – von der Bundesregierung 2023 um Rat befragt – das Bergrecht nur für tiefe Geothermie anzuwenden und oberflächennahe Geothermie ausschließlich durch das Wasserrecht zu organisieren.)
In Informationssystemen der Bundesländer kann man sich vorab über die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit geothermischer Systeme erkundigen. In Karten zur Standortbeurteilung ist zu erkennen, ob am gewählten Standort mit Einschränkungen zu rechnen ist oder nicht (z.B. Energieatlas Bayern, Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG)).
Derzeit sind die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Bayern beispielsweise benötigen Betreiber einer Grundwasserwärmepumpe eine wasserrechtliche Erlaubnis, die beim örtlich zuständigen Landratsamt beantragt werden muss. Mal ist für diese wasserrechtliche Genehmigung ein Gutachten eines privaten Sachverständigen der Wasserwirtschaft (PSW) erforderlich, mal ist der amtliche Sachverständige des Wasserwirtschaftsamtes zuständig. Meist ist auch die Baubegleitung durch einen Geologen gefordert. Nach Fertigstellung wird die Anlage oft von einem Sachverständigen der Wasserwirtschaft (PSW) abgenommen.
Ebenfalls vorgegeben ist in der Regel die erlaubte Temperaturspreizung, das heißt die Differenz zwischen der Temperatur des Grundwassers bei Entnahme und bei Wiedereinspeisung. Auch diese ist von Ort zu Ort unterschiedlich.
Die Temperaturspreizung wird in Kelvin [K] angegeben (0°C entsprechen 273,15 K), wobei der Temperaturunterschied in Grad Celsius sowie in Kelvin gleich ist. Beträgt die Spreizung 5°C entspricht dies auch 5K.
Zum Glück kennen sich örtliche Bohrunternehmen und ausführende Firmen meist gut mit der Sachlage aus und können hier mit Rat und Tat unterstützen. Das Bohren eines Brunnens ist nicht nur rechtlich eine eher aufwändige Angelegenheit und daher bei einem Bohrunternehmen oder Brunnenbauer in guten Händen.

Effizienz und Monitoring der Brunnenanlage:
Eine geringere Tiefe und hohe Mächtigkeit des Grundwasserleiters führen zu geringeren Investitionskosten und höherer Effizienz. Die konstante Temperatur des Grundwassers macht es zu einer sehr effizienten Quelle. Nach Inbetriebnahme der Anlage können regelmäßiges Monitoring und Anpassungen in der Regelungstechnik die Effizienz weiter steigern.
Herausforderungen:
- Qualität des Brunnenwassers: Schwebstoffe und Gesteinskiesel können die Anlage beschädigen, wodurch ein erhöhter Wartungsaufwand nötig ist.
- Kosten und Unsicherheiten: Probebohrungen sind teuer und nicht immer erfolgreich.
- Genehmigungsverfahren: Die rechtlichen Anforderungen sind komplex und können die Projektumsetzung verzögern.
- Klimawandel: Dürreperioden und Veränderungen im Grundwasserspiegel sind schwer vorhersehbar und können die langfristige Nutzung beeinträchtigen.
Chancen:
- Konstante Temperaturen: Hohe Effizienz durch nahezu konstante Wassertemperaturen.
- Kombination mit anderen erneuerbaren Quellen: Die Nutzung von PV-Anlagen zur Stromversorgung der Pumpen erhöht die Nachhaltigkeit und kann die Brunnenpumpen und Wärmepumpen speisen.
- Flexible Energieversorgung: Geeignet zum Heizen und Kühlen
- Freie Kühlung: Durch die stabile kühle Quelle kann das kalte Nahwärmenetz Gebäude kühlen, ohne dazu die Wärmepumpe (und deren Strom) zu benötigen - eine kostengünstige Möglichkeit zur Klimatisierung von Gebäuden.
- Keine Regeneration nötig: Die Quelle Grundwasser muss – im Gegensatz zu Erdwärmesonden – nicht regeneriert werden.
Fazit: Effiziente Quelle für Wärmenetze
Grundwasserbrunnen als Anergiequelle für kalte Nahwärmenetze sind eine äußerst effiziente Quelle, da die Temperatur des Grundwassers gleichbleibend stabil im Jahresverlauf ist. Allerdings sind Erschließung und Wartung relativ aufwendig und daher sowohl die Installation als auch der Betrieb etwas teurer. In Städten wie München wird das Grundwasser derzeit überwiegend zum Kühlen gebraucht, was dazu führt, dass sich die Temperatur des Grundwassers tendenziell in Summe erhöht. Hier ist auf einen Ausgleich zu achten, bei dem auch die Wärme des Grundwassers innerhalb eines Wärmenetzes verwendet wird. Eine ausgeglichene Nutzung ist im Jahresverlauf dann gut realisierbar, saisonal aber eher schwierig zu erzielen.
Langfristig bieten diese Systeme eine zuverlässige und umweltfreundliche Energieversorgung, die sowohl Heiz- als auch Kühlbedarfe decken kann.
Quellen:
- https://www.geothermie.de/bibliothek/lexikon-der-geothermie/e/erdwaermesondenfeld
- https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_54_2015_auswirkungen_thermischer_veraenderungen_infolge_der_nutzung_obenflaechennaher_geothermie_0.pdf
- https://www.geothermie.de/bibliothek/lexikon-der-geothermie/b/brunnensystem
- https://www.haustec.de/heizung/waermeerzeugung/so-funktioniert-der-aufbau-kalter-nahwaermenetze#toc-grundwasser
- https://www.lfu.bayern.de/wasser/index.htm#a0604
- https://www.geothermie.de/fileadmin/user_upload/Bibliothek/Downloads/Stellungnahmen_und_Positionspapiere/20230306_Stellungnahme_BVG_BEE_Modernisierung_Bergrecht.pdf