Nahwärmenetze - Herausforderungen beim Bau und bei der Implementierung

Nahwärmenetze sind lokale Energieversorgungssysteme, die Wärme über ein Netzwerk von Rohren an verschiedene Gebäude in einem bestimmten Gebiet liefern. Bei warmen oder heißen Nahwärmenetzen müssen die Rohre dabei isoliert werden, kalte Nahwärme verwendet nicht-isolierte Rohre, um weitere Wärme aus der umgebenden Erde aufzunehmen.
Als Wärmequellen dienen den Nahwärmenetzen heutzutage oft erneuerbare Energien wie beispielsweise Solarthermie, Geothermie oder industrielle Abwärme. In der Vergangenheit waren es vorwiegend Erdgas, Holz, Fernwärme aus fossilen Brennstoffen.
Bei warmen Netzen wird diese sogenannte Anergie zunächst in eine oder mehrere Energiezentrale(n) geleitet und über einen zentralen Erzeuger (z.B. eine Wärmepumpenanlage, auf die wir in diesem Artikel näher eingehen) und ggf. einen Wärmetauscher auf das gewünschte Temperaturniveau – z. B. 55°C – erhöht. Kalte Nahwärmenetze arbeiten dagegen mit dezentralen Wärmepumpen – die Temperatur wird dann erst in jedem einzelnen Gebäude auf Nutzniveau gebracht.
Nahwärmenetze sind besonders geeignet für dicht besiedelte Orte und Quartiere, wo sie einen bedeutenden Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen und zur Steigerung der Energieeffizienz leisten können, indem sie die erzeugte Wärme effizient an die angeschlossenen Gebäude verteilen.
Bau von Nahwärmenetzen
Der Bau eines Nahwärmenetzes umfasst mehrere Schritte:
1. Bedarfsanalyse und Planung: Zunächst wird der Wärmebedarf der zukünftigen Versorgungsgebiete analysiert. Dabei werden auch künftig mögliche Energieeinsparungen und neue Anschlüsse berücksichtigt. Eine Standortanalyse gibt einen Überblick über die vor Ort verfügbaren möglichen Energiequellen. Basierend auf diesen Daten erfolgt die Planung des Netzes mit Positionierung der Technikzentralen, der Anschlüsse, Platzierung der Speicher und der Dimensionierung der Leitungen.
2. Auswahl der Wärmequellen: Geeignete erneuerbare Wärmequellen wie Solarthermie, Geothermie oder Aquathermie werden in der unmittelbaren Umgebung identifiziert und in das Konzept integriert.
3. Bau der Infrastruktur: Die Haupt- und Verteilleitungen werden verlegt, Wärmeerzeugungsanlagen – sogenannte Energiezentralen – installiert und gegebenenfalls Wärmespeicher integriert.
4. Anschließen der Verbraucher: Im letzten Schritt erfolgt der Anschluss der Gebäude an das Nahwärmenetz, wobei die ggf. bestehenden Heizsysteme auf die neue Wärmequelle umgestellt werden.

Herausforderungen und Lösungen bei der Implementierung von Nahwärmenetzen
Netztemperatur – Inhomogene Gebäudestruktur mit unterschiedlichen Temperaturbedarfen
Herausforderung: In Bestands- und Mischquartieren variiert der Wärmebedarf aufgrund unterschiedlicher Baualters- und Nutzungsstrukturen erheblich. Dies erschwert die einheitliche Versorgung über ein Nahwärmenetz.
Lösung: Eine Lösung ist die Segmentierung des Netzes in verschiedene Temperaturzonen, die auf den spezifischen Bedarf der einzelnen Gebäude abgestimmt sind. Zudem können hybride Systeme eingesetzt werden, die sowohl Hoch- als auch Niedertemperaturwärme liefern. Manchmal muss aber auch ein einzelner Verbraucher, beispielsweise ein produzierendes Gewerbe, das besonders hohe Temperaturen benötigt, aus dem Netz ausgeklammert und anders versorgt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, diese Betriebe über eine eigene Booster-Wärmepumpe mit der benötigten Temperatur zu versorgen.
Enge Platzverhältnisse – keine Freiflächen für Geothermie
Herausforderung: In dicht bebauten urbanen Gebieten fehlen oft die Freiflächen für den Einsatz von oberflächennaher Geothermie in Form von Sondenfeldern oder Kollektoren.
Lösung: Alternativen wie die Nutzung von Abwärme aus Industrieprozessen oder Abwasserwärme aus der Kanalisation können Platzprobleme überwinden. Gerade bei Neubauten ist es oft auch möglich, die Geothermiesonden unterhalb der Bodenplatte, beispielsweise in der Tiefgarage unterzubringen. Als ergänzende Wärmequelle ist zudem die Integration von Solarthermie- oder photovoltaisch-thermischen Anlagen auf Dächern als platzsparende Alternative mitzudenken.

Zusätzliche Grundstücksflächen für zentrale Energiezentralen
Herausforderung: Für zentrale Versorgungskonzepte sollten in der Regel zusätzliche Grundstücksflächen in der Nähe des Quartiers zur Verfügung stehen.
Lösung: Eine frühzeitige Einbindung der Stadtplanung und die Zusammenarbeit mit Grundstückseigentümern können helfen, geeignete Flächen zu identifizieren. Zudem können mehrere dezentrale Systeme, die kleinere Flächen benötigen, als Alternative in Betracht gezogen werden.

Vorhandene Rohre/Leitungen im Boden – Transformation Netze
Herausforderung: Bestehende unterirdische Infrastruktur kann die Verlegung neuer Leitungen erschweren. Die Einhaltung von Abständen – unterschiedlich groß je nach Leitungsart – gilt es zu beachten.
Lösung: Eine gründliche Kartierung der vorhandenen Infrastruktur und eine sorgfältige Planung der Trassenführung sind unerlässlich. Moderne grabenlose Verlegetechniken können helfen, die Beeinträchtigung, zum Beispiel durch Baustellen im innerstädtischen Straßenverkehr, zu minimieren. Manchmal ist es auch möglich, vorhandene Leitungen zu nutzen und dort neue einzuziehen – das kann besonders in Städten manchmal die günstigere und praktikablere Lösung sein. Allerdings haben die Rohre für Kalte Nahwärme in der Regel größere Durchmesser, so dass immer vorher geprüft werden muss, ob eine solche Lösung infrage kommt.
Absperrung des Netzes
Herausforderung: Durch den Anschluss nachträglicher Wärmeabnehmer oder durch Wartungsarbeiten fällt die Wärmeversorgung für alle Anschlussnehmer im gesamten Netz aus.
Lösung: Der Einbau von Absperrarmaturen und Sekundärkreisläufen ermöglicht eine flexible Handhabung des Netzes. Dadurch können einzelne Häuser oder Abschnitte unabhängig voneinander gewartet oder angeschlossen werden. Absperrungen sollten an den Abzweigungen zu vorhandenen und künftigen Abnehmern sowie straßenweise eingeplant werden. Manche Leitungs-Anbieter können sogar gefüllte Rohre anbohren und dort Abzweigungen setzen, falls dies in der Planung nicht berücksichtigt wurde.
Hydraulikregelung
Herausforderung: Hydraulische Ungleichgewichte beeinträchtigen die Effizienz und Zuverlässigkeit des Netzes.
Lösung: Eine sorgfältige hydraulische Planung und der Einsatz von Druckausgleichs- und Regelarmaturen sind entscheidend, um eine gleichmäßige Wärmeverteilung zu gewährleisten. Digitale Überwachungssysteme helfen dabei, den Druck in Echtzeit zu überwachen und anzupassen, so dass das System immer effizient läuft. Dies kann auch über Fernüberwachung von einem Dienstleister oder Contractor in hunderten Kilometern Entfernung passieren. Eine regelmäßige Wartung der Anlage hilft ebenfalls, um Störungen im Betrieb zu vermeiden.
Quellensteuerung – digitale Tools
Herausforderung: Die Steuerung der verschiedenen Wärmequellen erfordert eine präzise und koordinierte Steuerung, da nicht immer jede Quelle zu gleichen Teilen verfügbar ist. Beispielsweise kann Abwasser an einigen Tagen im Jahr ausfallen, wenn der Kanal gereinigt wird. Auch industrielle Abwärme fällt nicht immer verlässlich hoch aus.
Lösung: Der Einsatz digitaler Steuerungs- und Überwachungstools ermöglicht eine effiziente und flexible Steuerung der Wärmequellen. Diese Tools können die Energieerzeugung in Echtzeit optimieren und auf schwankende Einspeisungen auf der Quellenseite sowie schwankende Bedarfe – zum Beispiel im tageszeitlichen Verlauf – reagieren. Um diese Schwankungen auszugleichen, werden Puffer- oder Pendelspeicher installiert, die die Wärme mehrere Stunden speichern können. Auch saisonale Speicher sind eine Möglichkeit, wenn die Wärmeausbeute zwischen Sommer und Winter variiert.

Planer müssen alle Quellen kennen und nutzen können
Herausforderung: Die Planer müssen über umfassendes Wissen über die verschiedenen Wärmequellen und deren Integration in das Netz verfügen.
Lösung: Die Beauftragung von Fachplaner für Energiequellen und Netze ist essenziell. Kooperationen und Partnerschaften zwischen erfahrenen Fachleuten sichern eine umfassende Expertise in allen Planungs- und Bauabschnitten. Hierzu haben wir auch – gemeinsam mit Partnern – das NETZ-WERK REGENERATIV gegründet. Zusätzlich erleichtert die Nutzung von Planungssoftware die Integration verschiedener Wärmequellen und die Verlegung der Wärmenetze.
Fazit
Die Implementierung von Nahwärmenetzen ist eine komplexe Aufgabe, die zahlreiche technische, wirtschaftliche und organisatorische Herausforderungen mit sich bringt. Eine erfolgreiche Implementierung und ein reibungsloser Betrieb erfordern eine sorgfältige Planung, der Einsatz moderner Technologien und die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. Doch es lohnt sich, sich diesen Herausforderungen zu stellen: denn Nahwärmenetze leisten einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele und bieten eine nachhaltige und effiziente Lösung zur Wärmeversorgung.
Quellen:
- Umweltbundesamt: Nachhaltige Nutzung erneuerbarer Energien (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_27-2022_nachhaltige_nutzung_erneuerbarer_energien_in_effizienten_gebaeuden_und_quartieren.pdf)
- Stadt Stuttgart: Entwicklungen in Stuttgarter Quartieren (https://www.stuttgart.de/leben/umwelt/energie/energieleitplanung/entwicklungen-in-stuttgarter-quartieren.php)
- Umweltbundesamt: Wärmewende (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-04-26_cc_18-2021_waermewende.pdf)
- dena: Studie Wärmeversorgung (https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2023/Studie_Waermeversorgung.pdf)
- Stadtquartier 2050: Leitfaden Klimaneutrale Quartiere (https://www.stadtquartier2050.de/images/D3_2_1_LeitfadenKlimaneutraleQuartiere_final.pdf)