Zum Hauptinhalt springen

Aquathermie aus Abwasser: Klärwerke doppelt energetisch nutzen

Zur Reinigung unserer Abwässer aus Haushalten und Industrie verbrauchen Kläranlagen sehr viel Energie: Europaweit rund 1 % des gesamten Energieproduktion. Damit zählen sie zu den größten kommunalen Stromverbrauchern. Für Kommunen bedeutet dieser hohe Strombedarf eine große finanzielle Belastung. Doch Klärwerke können vom Stromfresser zum Strom- und Wärmeproduzenten werden, denn sowohl im Abwasser als auch im Klärschlamm steckt ein großes Energiepotenzial.

Zahlen und Fakten zum Abwasser in Deutschland
In Deutschland gibt es fast 9.000 Kläranlagen, die im Jahr 2019 rund 9,05 Milliarden Kubikmeter (9047942000 m³ - Quelle: DESTATIS) Abwasser behandelt und anschließend in Oberflächengewässer eingeleitet haben. Dabei wurden nahezu 100 % des Abwassers biologisch, das heißt mit Hilfe von Bakterien behandelt, um so wieder sauberes Wasser zu gewinnen.

Biogas zur Verstromung aus dem Faulturm

Bereits heute produziert und nutzt ein Großteil der Kläranlagen Biogas, das in den Faultürmen entsteht.

Klärschlamm-Verwertung als Gas: Hierbei werden Schmutzstoffe und Kohlenstoff aus dem Abwasser schon bei Einfließen in die Kläranlage mechanisch gefiltert. Dieser energiereiche Primärschlamm, der reich an organischen Elementen ist, wird zur Klärgasgewinnung in einen Faulturm geleitet. Dort vermehren sich unter sauerstofffreien Bedingungen Bakterien im Abwasser – Faulgase wie Methan entstehen. Dieses kann direkt als Brennstoff genutzt oder zur Stromerzeugung verwendet werden. Das Gasgemisch treibt dann eine Turbine an, wodurch nachhaltig Strom produziert wird. Zudem entstehen durch die Gase Wärme, die durch einen Wärmetauscher verwertbar ist.

Klärschlamm-Verwertung als Feststoff: Der Klärschlamm wird maschinell getrocknet und als Brennstoff genutzt. Hierbei entsteht Dampf, der eine Wärmekraftmaschine antreibt und so umweltfreundlich Strom produziert. Da der getrocknete Schlamm einen hohen Kohlenstoffanteil und somit einem guten Heizwert hat, kann er fossile Brennstoffe ersetzen. So können Kläranlagen nicht nur ihren Stromverbrauch selbst decken und somit energieautark werden, sie können darüber hinaus überschüssigen Strom ins Netz einspeisen.

Für Kommunen bedeuten diese beiden Anwendungen geringere Kosten und weniger CO2-Verbrauch durch grünen Strom. So produzierten die Kläranlagen in Deutschland 2020 bei konstant hoher Reinigungsleistung durch die Verstromung des bei der Klärschlammfaulung entstehenden Biogases 1.118 GWh Strom. Das entspricht einem Anteil am Stromverbrauch der Kläranlagen von 36 Prozent.
 

Wie funktioniert eine Kläranlage?
Eine konventionelle Kläranlage besteht aus einer Vorklärung und einer anschließenden biologischen Stufe zur Elimination von Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverbindungen. Dabei fällt Klärschlamm an, der zumeist in getrockneter Form thermisch verwertet wird – 2021 waren das in Deutschland fast 80 %. Die anderen knapp 20 % werden stofflich verwertet.

Phosphorrückgewinnung ab 2029 Pflicht

Filter ermöglichen die Wiederverwertung wertvoller Rohstoffe wie Phosphor und Stickstoff. Mit ihnen wird Dünger produziert – ein Vorgehen, das die Ressourcen schont, da die konventionelle Herstellung von Stickstoffdünger sehr energieaufwändig ist. Durch die Verwertung aller im Abwasser verfügbaren Phosphorvorkommen könnten zudem etwa die Hälfte der jährlichen Phosphormineralimporte eingespart werden.

Betreiber von Abwasserbehandlungs- und Klärschlammverbrennungsanlagen sind durch die Verordnung zur Klärschlammverwertung ab 2029 dazu verpflichtet, Phosphor aus Klärschlämmen und deren Asche zurückzugewinnen, wenn der Klärschlamm pro Kilo mindestens 20 Gramm Phosphor enthält.

Ein vielversprechendes, innovatives Verfahren ist dabei die Pyrolyse, durch die sowohl die thermischen, als auch die stofflichen Eigenschaften des Klärschlamms nutzbar gemacht werden. Die aus dem Pyrolyseverfahren gewonnene Kohle, die einen hohen Phosphorgehalt hat, kann dann zu Bodendünger werden. Laut Fraunhofer IFF „ergeben sich jedoch auch andere Nutzungskonzepte, wie der Einsatz als Aktivkohle im Klärprozess des Abwassers zur Rückhaltung von Arzneimittelrückständen oder anderen Mikroschadstoffen. Das während der Pyrolyse entstehende, heizwertreiche Gas kann zudem als Energieträger für die Gewinnung von Wärme und Strom genutzt werden.“[1]

 


[1]https://www.iff.fraunhofer.de/de/geschaeftsbereiche/energiesysteme-infrastrukturen/crackit.html

 

Kläranlagen als Anergiequelle – das Energiepotenzial des Abwassers voll nutzen

Um das gesamte Energiepotenzial des Abwassers im Klärwerk zu heben, gilt es, verschiedene Technologien miteinander zu kombinieren.

Unter dem Nachhaltigkeitsaspekt ist besonders die Abwasserwärmenutzung interessant. Diese thermische Anergiequelle wird bisher aber oft noch vernachlässigt. Zu Unrecht: Denn werden dem Abwasser nur 1,5 °C Wärme entzogen, können 6,3 kW Wärme je durchfließendem Liter gewonnen werden.

Die Abschöpfung der Wärmeenergie aus dem Abwasser im Klärwerk oder der Kanalisation erfolgt mittels Wärmetauscher. Sie dient als Wärmequelle für Wärmepumpen. Unter Einsatz von Strom wird sie auf ein höheres Temperaturniveau gehoben und lässt sich dann in ein Wärmenetz einspeisen. Damit der Wärmetauscher nicht verschmutzt, muss er entweder regelmäßig gereinigt oder im Ausfluss des Klärwerks installiert werden, wo das Gerät nur vom bereits gereinigten Klarwasser umspült wird.

Abwasserrückgewinnung/Abwasserwärmenutzung:
DasAbwasser bleibt im Winter mit durchschnittlich 10 bis 12°C relativ warm und im Sommer bei maximal 20°C relativ kühl. Diese Temperaturen eigenen sich perfekt, um mithilfe eines Wärmetauschers und einer Wärmepumpe  Anergie zu nutzen, die im Winter zum Heizen, im Sommer zum Kühlen verwendet werden kann. Abwasser kann dazu in der Kläranlage, aber auch schon in der Kanalisation genutzt werden.

Eingespeist in ein Nahwärmenetz, erhöht sich die Energieeffizienz der Abwasserwärme durch kurze Transportwege und geringe Wärmeverluste – ein ökologisch und finanziell interessantes System für Kommunen.

Zudem kann die Wärme auch innovativ genutzt werden: Für Urban Gardening und -Farming Projekte wie die Beheizung lokaler Gewächshäuser oder Aquakulturen oder zur Trocknung von Futtermitteln oder Getreide.

Die gute Nachricht: Die meisten modernen Klärwerke sind für eine Energiegewinnung aus Abwasser und Klärschlamm bereits entsprechend technisch ausgestattet.

Weitere Technologien und Möglichkeiten zur energetischen Nutzung im Klärwerk

Um Energie aus Abwasser bzw. Klärschlamm zu gewinnen, gibt es schon heute verschiedenste Möglichkeiten, die mit den verfügbaren Technologien genutzt werden können. Generell ist eine Verwertung durch chemische Energie, Wärmeenergie und Lageenergie möglich.

Bei der Lageenergie-Nutzung wird das Schmutzwasser in der Kläranlage – ähnlich wie in einem Wasserkraftwerk – über ein Gefälle in eine Turbine geleitet und erzeugt so mit einem Generator umweltfreundlich Strom.

Auch Power-to-Gas-Lösungen können in einem Klärwerk verwirklicht werden:Mit einem Elektrolyseur wird aus dem Abwasser Wasserstoff erzeugt und unter Zugabe von CO2 und mithilfe von Bakterien zu Methan umgewandelt. Solche Wasserstoffspeicher können beispielsweise überschüssigen Windstrom als Methan speichern. Der bei der Wasserstoff-Erzeugung entstehende Sauerstoff unterstützt wiederum im Prozess die Abwasseraufbereitung.

Der Wasserstoff kann zudem direkt verwendet werden: Beispielsweise, um Busse des öffentlichen Nahverkehrs anzutreiben und so Emissionen zu senken – ein perfektes Beispiel für Sektorenkopplung.

Zudem bietet sich der Faulbehälter als saisonaler Wärmespeicher für bedarfsgerechte Verwendung der Wärme an.

Vorteile der Energiegewinnung durch Abwasser

  • Biogas und Klärschlamm als Ersatzbrennstoffe vermindern bzw. vermeiden den Anteil fossiler Brennstoffe zur Stromgewinnung und verringern so die CO2-Emissionen.
  • Die Wärme im Abwasser kann als Anergiequelle mittels Wärmetauscher und Wärmepumpe kostenfrei und klimaneutral genutzt werden.
  • Die Schadstoffe im Klärschlamm werden verbrannt bzw. wiederverwertet – Phosphor und Nitrate als Dünger.
  • Versorgungssicherheit bei konstanten Temperaturen über das ganze Jahr.

Wärme, Strom, sauberes Wasser und Nährstoffrückgewinnung – wer das Gesamtsystem nachhaltig optimieren will, muss viele Faktoren berücksichtigen. An erster Stelle steht natürlich die Sicherstellung reinen, sauberen Abwassers. Doch Kommunen können noch viel mehr von ihrem Abwasser profitieren: Als Energie- und Rohstofflieferant, als Nachhaltigkeitsgarant und zur Einsparung von CO2 und von finanziellen Aufwendungen.  

Zur Unterstützung der Energie- und Wärmewende und zum Klimaschutz ist der Einsatz von Klärwerken als Kraftwerke klar zu forcieren. In Deutschland könnten so Millionen Haushalte ihren Strom und Wärme von Klärwerken beziehen und von geringeren Energie-, und Wärmekosten aus erneuerbaren Quellen profitieren.
 

Übrigens: Am 20. März ist Weltwassertag. 2023 steht er unter dem Motto „Accelerating Chance“.
Die Vereinten Nationen setzen sich mit dem Sustainable Development Goal (SDG) Nummer 6 dafür ein, dass alle Menschen Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser haben. Dafür gilt es, weltweit eine nachhaltige Bewirtschaftung zu forcieren, die Verfügbarkeit von Wasser sicherzustellen und eine hygienische Sanitärversorgung für alle zu gewährleisten.