Zum Hauptinhalt springen

Vertikale Photovoltaik- (PV-) Anlagen an Fassaden, Balkonen und Zäunen - effizient oder nur Trend?

Am 16.08.2023 hat das Kabinett das Solarpaket I beschlossen. Damit soll der Bau von Solaranlagen auf Dächern und Gebäuden erleitert werden und weniger Bürokratieaufwand anfallen. Auch die Installation und der Betreib von Balkon-PV wird so erleichtert. Gut so, denn der Solarausbau in Deutschland muss noch kräftig an Fahrt aufnehmen, auch wenn am Pfingstmontag 2023 bei der Bundesnetzagentur schon die dreimillionste PV-Anlage registriert wurde. Damit sind, so der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar), inzwischen über 70 Gigawatt Leistung in Deutschland installiert. 

Eine, wenn auch geringere Rolle, spielen dabei auch PV-Anlagen, die senkrecht an Fassaden, Balkonen und Zäunen befestigt werden. Diese gewinnen in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung und werden als Alternative oder zusätzliche Fläche zu herkömmlichen Dachinstallationen diskutiert. 

Update 17.08.2023:

Einige der geplanten Maßnahmen aus dem Solarpaket I 

  • Die komplizierte Anmeldung von Solaranlagen auf Balkonen beim Netzbetreiber entfällt. Künftig reicht eine Registrierung im Marktstammregister der Bundesnetzagentur.
  • Übergangsweise können alte, nicht-digitale Stromzähler weiterverwendet werden. Wenn Strom vom Balkon ins Netz eingespeist wird, dreht sich der Zähler einfach rückwärts.
  • Mit einer Balkon-PV-Anlage darf künftig 800 Watt Strom produziert werden anstelle der bislang erlaubten 600 Watt.

Die Regeln könnten zum kommenden Jahr in Kraft treten.

Arten von PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen:

PV-Anlagen für Fassaden, Balkone und Zäune sind in verschiedenen Ausführungen erhältlich. 
Für die Installation an Fassaden werden sowohl die klassischen kristallinen Silizium-Solarzellen verwendet, als auch sogenannte Dünnschicht-Module, die – bei etwas niedrigerem Wirkungsgrad – leichter und flexibler sind. Es gibt sie in unterschiedlichen Größen und Formen, so dass sie optisch an die jeweilige Fassade angepasst werden können: Beispielsweise an Naturstein, Putz oder Keramik. 
Transparente Solarmodule, die in Glas integriert – sogenannte Glas-Glas Module – sind, bieten ebenfalls eine weitere Möglichkeit Sonnenenergie an Fassaden zu nutzen. Dadurch gelingt es auch, ästhetische Ansprüche an das Gebäude zu erfüllen. 
PV-Anlagen gibt es auch für Balkone, Zäune und Fensterlaibungen/-bretter. Sogar Pflanzentröge und Sichtschutze sind mittlerweile mit solaren Flächen zur Stromerzeugung erhältlich.

Balkon-PV:

Balkon-PV-Anlagen bestehen aus vier Teilen: Dem Solarpanel, der Befestigung, einem Wechselrichter und einem Stecker. Diese Art der PV-Installation bietet den Vorteil, dass sie ansonsten ungenutzte vertikale Flächen verwendet, und Wohnende so in kleinem Umfang selbst Strom erzeugen können. Inzwischen gibt es gute Systeme sogar schon beim Discounter. Eine Balkonanlage muss, wie jede andere Stromerzeugungsanlage, beim zuständigen Netzbetreiber angemeldet werden. Zudem muss der bisherige Zähler gegen einen Zweirichtungszähler ausgetauscht werden (sofern die Einspeisung ins Netz nicht durch eine technische Sperre ausgeschlossen ist), damit der Zähler nicht durch die Stromeinspeisung „rückwärts“ läuft.

Zaun-PV:

Bei Zaun-PV handelt es sich um PV-Anlagen, die an Zäunen oder anstelle von Zäunen montiert werden. Diese Art der PV-Installation nutzt die lineare Struktur von Zäunen, um Solarpaneele zu befestigen. Zaun-PV-Systeme können auf Privatgrundstücken ebenso wie bei Gewerbeimmobilien, landwirtschaftlichen Betrieben oder öffentlichen Bereichen eingesetzt werden. Dadurch können oft große zusätzliche Flächen zur Stromerzeugung genutzt werden. Für freistehende Anlagen werden am besten bifaziale Glas-Glas-Module verwendet, die das Sonnenlicht von beiden Seiten nutzen können. Hier bietet sich eine Ost-West-Ausrichtung für die größte Ausbeute an. Ein reflektierender/weißer Untergrund steigert den Albedo-Effekt und sorgt für eine noch bessere Effizienz.

Vor- und Nachteile der vertikalen Integration:

Die Integration von PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen bietet mehrere Vorteile.

  • Effektive Nutzung von vertikalen Flächen: Fassaden-, Balkon- und Zaun-PV ermöglichen die Nutzung von ungenutzten vertikalen Flächen zur Stromerzeugung, was insbesondere in städtischen Gebieten mit begrenztem Platzangebot attraktiv ist.
  • Architektonische Integration: Diese PV-Systeme können mittlerweile ästhetisch ansprechend gestaltet werden und sich nahtlos in die bestehende Architektur von Balkonen und Zäunen integrieren.
  • Dezentrale Energieerzeugung: Balkon-PV und Zaun-PV ermöglichen eine dezentrale Stromerzeugung, wodurch der Bedarf an langen Übertragungsleitungen und Energieverlusten verringert wird.
  • Potenzial für Eigenverbrauch: Der erzeugte Strom kann direkt vor Ort genutzt werden, um den Eigenverbrauch zu erhöhen und die Abhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz zu verringern.

Allerdings gibt es auch Herausforderungen. Die Ausrichtung der PV-Module an Fassaden ist oft nicht optimal, was zu etwas geringeren Erträgen führen kann. Außerdem können Verschattungseffekte durch umliegende Gebäude oder Bäume die Leistung der Anlagen beeinträchtigen. Es ist wichtig, diese Faktoren bei der Planung und Installation zu berücksichtigen, um die Effizienz zu maximieren.

Auf einen Blick:

  • Vertikale-PV-Anlagen haben durch die senkrechte Montage eine geringere Ausbeute, können das aber durch Belegung größerer Flächen ausgleichen.
  • PV-Module sind inzwischen in der Produktion so günstig, dass es rentabel ist, auch große Flächen zu verkleiden.
  • Aus ökologischen und energetischen Aspekten ist es erstrebenswert, alle PV-Potenziale auszuschöpfen
  • Oft reicht die PV-Dachfläche allein nicht aus, um die Voraussetzungen für eine Förderung zu erreichen, z. B. BEG EH40.

Stromerzeugungspotenzial:

Das Stromerzeugungspotenzial von PV-Anlagen an Fassaden, Balkonen und Zäunen hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der verfügbaren Fläche, der Ausrichtung, dem Neigungswinkel und der lokalen Sonneneinstrahlung. 
Solarpaneele werden meist als 300-, 400- und 600-Watt-Module angeboten. Als (genehmigungsfreie) Balkon-PVs können bis zu 600 Watt Leistung montiert werden.

Wirkungsgrade der PV-Module

Der Wirkungsgrad von senkrecht installierten PV-Anlagen variiert je nach verwendetem Modultyp, der Ausrichtung der Anlage, dem Standort und der Sonneneinstrahlung. Generell haben senkrecht installierte PV-Anlagen einen geringeren Wirkungsgrad im Vergleich zu herkömmlichen, horizontal installierten Anlagen. Gemäß einer Studie von Biryukova et al. aus dem Jahr 2020, die sich mit Balkon-PV-Anlagen befasst, liegt der Ertrag solcher Anlagen typischerweise zwischen 5% und 15%. Dieser niedrigere Wirkungsgrad resultiert aus dem ungünstigen Einfallswinkel der Sonnenstrahlen auf die senkrechten Module und der verringerten Lichtabsorption. (Die Wirkungsgrade können je nach Technologiefortschritt und Entwicklungen in der PV-Branche variieren.) 

Monokristalline Solarmodule: 18–24% 
Polykristalline Solarmodule: 15–20%
Dünnschichtmodule: 6–10% 
CIGS-Module: 15%

Es gibt aber Untersuchungen, die zeigen, dass vertikale PV-Installationen trotz ihrer suboptimalen Ausrichtung durchaus bedeutende Mengen an Strom erzeugen können. Eine Studie aus dem Jahr 2020 ergab beispielsweise, dass PV-Anlagen an Fassaden im urbanen Umfeld etwa 25-40% des Strombedarfs eines Gebäudes decken können.
Eine detaillierte Standortanalyse und Planung sind daher wichtig, um das Potenzial zu ermitteln und die Effizienz zu maximieren.

Stromnutzung und -speicherung:

Der erzeugte Strom aus PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen kann auf verschiedene Weise genutzt werden.

  • Direkte Nutzung vor Ort, z. B. durch den Betrieb von elektrischen Geräten oder die Ladung von Elektrofahrzeugen.
  • Speicherung von überschüssigem Strom in Batteriespeichern zur späteren Eigennutzung.
  • Einspeisung von überschüssigem Strom ins öffentliche Stromnetz. In einigen Ländern erhalten Anlagenbetreiber dafür eine Einspeisevergütungen oder andere Vergütungsmodelle.

Es ist zu beachten, dass die genaue Auslegung, Dimensionierung und Anschlussregelungen von Balkon-PV- und Zaun-PV-Systemen je nach lokalen Vorschriften und Regularien variieren können. Es ist wichtig, sich vor der Installation über die geltenden Bestimmungen und erforderlichen Genehmigungen zu informieren oder einen Experten zu konsultieren.

Nutzung von Strom aus der Balkon-PV-Anlage:

Um den erzeugten Strom aus einer Balkon-PV-Anlage selbst zu nutzen, sind in der Regel folgende Schritte erforderlich:

  • Gleichstrom (DC) in Wechselstrom (AC) umwandeln: Die PV-Module erzeugen Gleichstrom, der für den Hausgebrauch in Wechselstrom umgewandelt werden muss. Dazu wird ein Wechselrichter verwendet, der den erzeugten Gleichstrom in den für den Haushalt üblichen Wechselstrom umwandelt. Der Wechselrichter wird in der Regel in der Nähe der PV-Anlage installiert.
  • Der umgewandelte Wechselstrom kann direkt für den Eigenverbrauch im Haushalt genutzt werden. Dies bedeutet, dass der erzeugte Strom die angeschlossenen Geräte, Beleuchtung oder andere elektrische Verbraucher im Haus mit Strom versorgt. Auf diese Weise wird der Bedarf an Strom aus dem öffentlichen Netz reduziert.
  • Monitoring und Messung: Es ist wichtig, den erzeugten und genutzten Strom zu überwachen, um die Leistung der PV-Anlage zu verfolgen und den Eigenverbrauch zu optimieren. Dies kann durch ein Monitoring-System erfolgen, das den Stromfluss und die Leistung der PV-Anlage erfasst. Zusätzlich können geeichte Stromzähler verwendet werden, um den erzeugten und verbrauchten Strom genau zu messen.

In Deutschland regelt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Ausbau erneuerbarer Energien und bietet Anreize für die Integration von PV-Anlagen in Gebäudefassaden. Gemäß dem EEG können PV-Anlagen an Fassaden als sogenannte "Dachanlagen" behandelt werden und somit von den gleichen Vergütungssätzen und Einspeisevergütungen wie herkömmliche Dachanlagen profitieren.
Um die Installation von PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen zu erleichtern, wurden hierzulande die Genehmigungsverfahren vereinfacht. In einigen Fällen sind keine aufwändigen Baugenehmigungen erforderlich: Diese gilt beispielsweise für Balkonkraftwerke bis 600 W Einspeiseleistung.
Balkonkraftwerke wurden zudem 2023 von der Mehrwertsteuer befreit und daher nun günstiger zu haben.

Innovationen bei PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen:

Die Produktentwicklung auf dem Solarmarkt macht derzeit große Sprünge. Auch PV für vertikale Oberflächen hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht.

  • Farbige Solarmodule:
    Traditionell waren Solarmodule blau oder schwarz, um eine hohe Lichtabsorption zu gewährleisten. In jüngster Zeit wurden jedoch farbige Solarmodule entwickelt, um die ästhetische Integration in Gebäudefassaden zu verbessern. Diese Module können an die gewünschte Farbe oder das Design der Fassade angepasst werden. Einige Unternehmen bieten bereits eine breite Palette an Farboptionen für Solarmodule an, einschließlich weiß, grau, braun und sogar transparent. 
  • Organische Solarzellen
    Sie werden aus unterschiedlichen Kohlenwasserstoffverbindungen hergestellt und sind eine spezielle Unterform der Dünnschicht-Solarmodule. Der photovoltaische Effekt tritt bereits bei hauchdünnen Halbleiterschichten ein: Materialstärken von zwei Tausendsteln Millimeter genügen. Daher können sie, als Kunststoffbeschichtung, auf fast jede Oberfläche aufgebracht werden – auch auf biegsame wie Planen. Sie haben quasi keinen Platzbedarf und auch statische Aspekte spielen keine Rolle, da sie kaum Gewicht haben.
  • Erleichterte Anschlussmethoden:
    Die Installation von PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen ist einfacher geworden. Zum Beispiel ermöglichen Befestigungssysteme mit vormontierten Modulen eine schnellere und effizientere Installation. Dies kann die Installationszeit und -kosten reduzieren. Darüber hinaus wurden neue Befestigungssysteme entwickelt, die eine flexible Anpassung an unterschiedliche Oberflächen und Strukturen ermöglichen.

Zukunftsaussichten für PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen:

PV-Anlagen an Fassaden, Balkonen und Zäunen stellen eine vielversprechende Möglichkeit dar, Solarenergie in urbanen Gebieten zu nutzen. Trotz geringerer Effizienz bieten sie eine attraktive Alternative zur herkömmlichen Dachinstallation. Gerade Fassaden größerer (Büro-) Gebäude versprechen eine gute Energieausbeute. Mit aktuellen Technologie-Entwicklungen und sinkenden Kosten werden die Chancen für die Effizienz und Wirtschaftlichkeit dieser Installationen weiter verbessert. PV-Anlagen an vertikalen Oberflächen können somit einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen leisten und zu einer nachhaltigeren Energiezukunft beitragen.

Quellen: