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Großwärmepumpen: Gamechanger zur Dekarbonisierung des Wärmesektors

Wärmepumpen entwickeln sich im Zuge der Energiewende in privaten Wohnhäusern und besonders in Neubauten zum Standard für die Wärmeversorgung. Sie stehen als dezentrale Versorgungslösung beim Verbraucher im eigenen Vorgarten oder Keller. 
Eine weniger bekannte Variante sind Großwärmepumpen. Sie werden für das wirtschaftliche und emissionsfreie Beheizen und Kühlen in der kommunalen Infrastruktur, der Industrie sowie großen Wohn-, Wirtschafts-, und Geschäftsgebäuden eingesetzt und werden zentral platziert.

 

In diesem Blogbeitrag erfahren Sie mehr über

Definition Großwärmepumpen:
Wärmepumpen mit Leistungen größer als etwa 50 kW werden häufig als Großwärmepumpen (Industriewärmepumpen) bezeichnet. Sie können auch Leistungen deutlich über 100 kW bringen und bei der üblichen Hintereinanderschaltung in den MW-Bereich kommen.

Verbreitung und Chancen

Bisher sind Großwärmepumpen zur Wärmebereitstellung für Industrieanlagen und Gebäude in Deutschland noch eher eine Seltenheit – Tendenz steigend. Denn sie können eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung des Wärmesektors und für das Erreichen der Klimaziele spielen. Eine Fraunhofer-Studie im Auftrag der Agora Energiewende befindet sogar: „Die gesamte deutsche Wärmenachfrage bis 200 Grad Celsius lässt sich technisch vollständig durch Wärmepumpen decken. Einen besonderen Anteil daran haben Großwärmepumpen ab 500 kW Leistung." Damit lasse sich drei Viertel des deutschen Erdgasverbrauchs einsparen – und rein rechnerisch sowohl der gesamte Bedarf von Gebäudeheizungen und Warmwasser, als auch ein gutes Drittel der industriellen Prozesswärme decken.

Allerdings sind in Deutschland derzeit nur 100 MW installiert, weitere 600 MW sind in Bau oder in Planung[1]. Um bis 2045 klimaneutral zu werden, müsste jährlich eine thermische Leistung von vier GW zugebaut werden.

 


[1]https://www.heise.de/hintergrund/Studie-Grosswaermepumpen-koennen-drei-Viertel-des-deutschen-Gasverbrauchs-sparen-9187670.html

 

Voraussetzungen für und Einsatzmöglichkeiten von Großwärmepumpen

Um eine Großwärmepumpe zu betreiben, ist eine ergiebige Wärmequelle nötig. Die Wärme kann dabei aus Luft, Erde, Fluss- oder Seewasser, industrieller Abwärme oder Abwasser stammen. Das entsprechende Verteilernetz läuft – im Gegensatz zu einem Netz mit dezentralen, normalen Wärmepumpen, beispielsweise in einem Einfamilienhaus-Quartier – auf einem angehobenen Temperaturniveau. Denn sehr große Wärmepumpen (WP) im MW-Bereich stehen immer an der Quelle: Dadurch hat das Netz selbst eine höhere Temperatur, mit der ggfs. schon ein Großteil des Wärmebedarfes abgedeckt werden kann. Für bestimmte Prozesse kann dann noch eine Booster-WP dort platziert werden, wodurch die Wärmeverluste im Verteilnetz niedriger und damit die Gesamteffizienz des Netzes höher ist. Im Gegensatz dazu haben Netze mit kleinen, dezentralen Wärmepumpen, die in jedem Haus untergebracht sind, in der Regel das Temperaturniveau der Wärmequelle – es ist also kalt. 

Großwärmepumpen werden besonders sinnvoll dort eingesetzt, wo sowohl Heiz- als auch Kühlbedarf besteht, denn wie der kleine Bruder kann auch die Groß-WP beides. Sie eignen sich bestens für die Kombination mit Fernwärmenetzen, Gartenbau und Landwirtschaft, Bädern, Bürogebäuden, Hotels, Krankenhäusern, Supermärkten und der Gastronomie.

Diese Anwendungen haben meist einen hohen Bedarf an Wärme und Kälte und können besonders von niedrigeren Energiekosten für das Heizen und Kühlen profitieren. Ein Business Case wird daraus, wenn es einen ganzjährigen Bedarf an niedertemperierter Wärme und Kälte gibt, der vollautomatisiert gesteuert und durch Smart Meter kontrolliert wird. Dann haben sich die Investitionskosten in eine Groß-Wärmepumpenlösungen bald amortisiert.

Wie funktioniert eine Groß-WP?

Eine Großwärmepumpe funktioniert genauso wie der kleinere Bruder: Wärme wird aus einer regenerativen Quelle entnommen und auf ein Kältemittel übertragen, das die Wärme über einen Wärmetauscher an ein Trägermedium auf höherem Temperaturniveau abgibt. Das kann zum Beispiel Wasser sein, welches für die Wärmebereitstellung verwendet wird. Durch die Temperaturabgabe verflüssigt sich das Kältemittel wieder und wird entspannt, bevor der Prozess erneut beginnt. Zum Kühlen wird der Kreislauf einfach umgedreht und dem Gebäude Wärme entzogen, auf das Kältemittel übertragen und dann mithilfe des Wärmetauschers an die ursprüngliche Wärmequelle zurückgegeben. 
In diesem Kreislauf wird größtenteils nur für das Verdichten und Entspannen zusätzliche Energie in Form von Elektrizität (idealerweise aus erneuerbaren Quellen wie beispielsweise Photovoltaik) benötigt, die restliche Energie wird aus den jeweiligen Wärmequellen (z. B. Erdreich oder Aquathermie) gewonnen. Gerade bei Großwärmepumpen gibt es auch immer mehr Direktverdampfersysteme, die zwar kompliziert zu regeln sind, dafür aber viel zusätzlichen Strom einsparen und somit die Effizienz erhöhen können.
Wie die Effizienz einer Wärmepumpe durch Jahresarbeitszahl und Leistungszahl COP dargestellt wird, haben wir in diesem Blogbeitrag beschrieben. Tendenziell ist die JAZ aber größer, wenn der Temperaturunterschied zwischen Quelle und Verbraucher geringer ist.
Großwärmepumpen bestehen häufig aus mehreren, kaskadierten Wärmepumpen, um den notwenige Leistung zu erreichen.

Effizienzsteigerung durch Kombination von Großwärmepumpe mit Wärmespeicher

Da die Wärmepumpenleistung teurer ist als beispielsweise ein Gaskessel, lohnt es sich in der Regel, größere Wärmepufferspeicher zu installieren. Durch die gespeicherte Wärme können Lastspitzen sowie Schwankungen im Bereich der Quellverfügbarkeit kostengünstig (teilweise) abgefangen werden. Dasselbe gilt auch für den selbsterzeugten Strom, beispielsweise aus PV oder Wind. Hier gilt es immer, den selbsterzeugten Strom möglichst selbst zu verbrauchen, um möglichst kosteneffektiv zu wirtschaften und den Strom nicht teuer beziehen und zu Minimalpreisen einspeisen zu müssen. 
Neben den Vorteilen eines effizienteren Energiekonzepts (Die Verschaltung von Wärme und Kälte mittels Wärmerückgewinnung als Wärmepumpenquelle in Kombination mit selbsterzeugtem regenerativem Strom und Speichern reduziert die Abhängigkeit von externen Erzeugern sowie den Gesamtenergiebedarf und spart so Betriebskosten.

Großwärmepumpen in der Praxis: Anwendungsbeispiele

Anders als in Deutschland sind Großwärmepumpen in Skandinavien bereits weit verbreitet. An der dänischen Westküste versorgt mit dem Projekt Esbjerg bald eine der weltgrößten Wärmepumpen rund 100.000 Menschen. Und auch Österreich macht durch ein besonderes Projekt in Wien auf sich aufmerksam: Die im Bau befindliche Großwärmepumpe bei der Ebswien-Kläranlage nutzt deren Abwasser und soll die leistungsstärkste Großwärmepumpe Europas werden - und ab 2027 bis zu 112.000 Wiener Haushalte mit Fernwärme versorgen.

Beispiel: Einsatz von Groß-WP im Bürogebäude

Durch die wärmeren Sommer ist auch bei uns eine Kühlung von Bürogebäuden immer häufiger erforderlich. In Neubauten erfolgt dies oft über eine Betonkernaktivierung oder durch Kühldecken. Wassergeführte Flächensysteme haben den Vorteil, dass sie mit geringen Heiz- und Kühltemperaturen auskommen und damit einen sehr effizienten Wärmepumpeneinsatz ermöglichen. Als Quelle bieten sich dann Erdwärme, Grund- oder Abwasser für eine passive Klimatisierung im Sommer und zum Heizen im Winter an. Im Sommer wird die Wärme aus dem Gebäude zurück in den Untergrund geführt und dient zur Regeneration der Geothermie-Speichersonden bzw. als saisonaler Erdwärmespeicher. Je ausgeglichener die Energieentzugsbilanz zwischen Winter- und Sommerbetrieb ist, umso nachhaltiger steht die natürliche Energiequelle zur Verfügung. Denn die Quelle regeneriert sich durch die Abgabe der Abwärme aus der Kühlphase schneller.
Die Doppelnutzung des Untergrunds führt überdies zu einer hohen Auslastung der Industriewärmepumpe und somit zu geringeren Gesamtgestehungskosten und einer besseren CO2-Bilanz.

Beispiel: Einsatz von Groß-Wärmepumpen in Fernwärmenetzen

Großwärmepumpen werden auch immer öfter bei Projekten zur Entstehung und Transformation von Fernwärmenetzen eingesetzt. 
goodmen energy hat selbst schon einige Kommunen hierzu beraten dürfen und beispielsweise die Dekarbonisierung eines Netzes geplant, das aus Abwasser und Flusswasser gespeist und über eine Großwärmepumpe aktiviert wird. Auch in der Industrie kann mittels Großwärmepumpen Abwärme aus Prozessabluft und Prozesswasser in großem Maßstab zurückgewonnen werden. Dabei sorgen die hohen Temperaturen für eine hohe Effizienz der Wärmepumpen. Durch die so entstehende Reduktion des Wärmebedarfes (auf einen COP 3-4), Fördermöglichkeiten sowie teilweise mögliche Betriebsförderung und den steigenden CO2-Preis, amortisieren sich die Investitionen schon jetzt in vielen Fällen im vertretbaren Zeitrahmen.

Beispiel: Einsatz in Frei- und Hallen-Bädern - Stuttgart

In Hallenbädern entstehen große Mengen an Abwärme, die oft ungenutzt an die Umwelt abgegeben werden. Durch eine Abluft-Großwärmepumpe ist es möglich, diese Abwärme gezielt zurückzugewinnen, wieder zurückzuführen und dadurch den Gesamtwärmebedarf zu reduzieren. Ein in die Abluftwärmepumpe integrierter Ventilator zieht die erwärmte Luft aus dem Hallenbad an, nutzt sie als Wärmequelle für das Wärmepumpenaggregat und leitet die abgekühlte Luft nach außen. Durch die Nutzung dieser Abwärme lassen sich sowohl der Primärenergieverbrauch reduzieren als auch die CO2-Emissionen verringern. 
Bei unseren Machbarkeitsstudien für die Stuttgarter Bäder (Hallen-, Frei-, Thermal- und Flussbäder) haben auch wir mit entsprechenden Großwärmepumpen und der Nutzung von Abwärme, Warmwasser, Thermalquellen und Flusswasser ausgelegt.

Beispiel: Schwimmende Energiezentrale mit Groß-WP in Prag

In Prag ist Anfang Dezember 2023 der Startschuss für ein weiteres bemerkenswertes Projekt gefallen: Dort planen wir von goodmen energy als Partner des tschechischen Projektentwicklers JN infra AS schwimmende Energiezentralen, sogenannte ComPons, sowie die dazugehörigen Wärmenetze an Land. Die Pontons sind im Inneren mit vom Flusswasser gespeisten Wasser-Wasser-Großwärmepumpen ausgestattet, die am Ufer befestigt werden. Sie sind für die Wärmeenergieversorgung städtischer Quartiere in der Nähe von schiffbaren Flüssen bestimmt (mehr dazu lesen Sie hier).

Finanzierung und Förderung von Großwärmepumpen-Anlagen

Über die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) können Großwärmepumpen unter bestimmten Umständen und sofern das anhängende Wärmenetzsysteme zur Versorgung mehr als 16 Gebäuden oder mehr als 100 Wohneinheiten dient, in den Modulen 1-4 gefördert werden. Besonders die Betriebskostenförderung im Modul 4, also die Förderung des WP-Stroms, sind für Betreiber besonders attraktiv. Die Voraussetzungen und Bedingungen dafür sind umfangreich und müssen für jeden Fall separat beurteilt werden. Eine individuelle Förderberatung ist hier unabdingbar.

Zudem gibt es die Möglichkeit der Förderung über das KfW-Programm „Erneuerbare Energien – Premium“. Hierin werden

  • Wärme- und Kältenetze, die aus erneuer­baren Energien gespeist werden
  • große Wärmespeicher in Wärme- oder Kältenetzen
  • große effiziente Wärmepumpen in Wärme- oder Kältenetzen

mit bis zu 25 Mio. Euro Kreditbetrag ab 0,58 % effektivem Jahreszins gefördert.

 

Zusammenfassung

Durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Luft, Wasser oder Erdwärme ermöglichen Großwärmepumpen eine nachhaltige Wärmeversorgung in Industrie, Gewerbe und kommunalen Einrichtungen. Ihre Skalierbarkeit, hohe Leistungsfähigkeit und die Möglichkeit, sogar niedrig temperierte Wärmequellen effektiv zu nutzen, machen sie zu einer zukunftsfähigen Wahl für die Reduzierung der CO2-Emissionen und zur Förderung einer umweltfreundlichen Wärmeerzeugung in großem Maßstab.